Projekt Familie: der ideale Zeitpunkt
“Betrachten Sie Ihre Familie als neues und spannendes Projekt, das Projekt Familie, dessen einzelne Teilnehmer nicht von vorneherein qualifiziert sind.” Jesper Juul
Plötzlich eingesperrt, kein oder wenig Raum für eigene Interessen und Vorlieben? Konflikte, die schon bestanden haben, brechen in Stresssituationen auf und rücken in den Mittelpunkt.

Plötzlich ist alles anders…
Ihr Arbeitsort ist geschlossen, die Schulen haben ihre Tore zu gemacht und die Art und Weise wie sie Arbeiten, Leben und Wohnen ist ziemlich auf den Kopf gestellt. Die Familienmitglieder, so sehr Sie diese lieben, bringen Sie langsam an Ihre Grenzen. Vielleicht plagen Sie Existenzängste, Ihnen ist so gar nicht nach Spielen, Lachen, Basteln, Homeschooling, Haushalten und überhaupt nach Beziehungsarbeit zumute und es ist kein Ende in Sicht. Ihr Zustand ist ambivalent und Ihre Gefühle schwanken von einem Dilemma zum Nächsten. Die Atmosphäre ist angespannt und Sie sehnen sich nach Rückzug und „Normalität“. Sie fragen sich, wie Sie jetzt noch das Projekt Familie neu starten und bearbeiten können?
Wie können wir mit dieser Situation umgehen?
Die Welt ist unbeständig, eine Erfahrung, die wir alle immer wieder machen und mehr oder weniger sportlich meistern. Durch die seit einigen Wochen omnipräsente Corona-Virus-Krise ist die Vergänglichkeit von vielem, was wir als normal, stabil und selbstverständlich gehalten haben unmittelbar und unausweichlich real geworden und wir fallen aus dem Gewohnten, Beständigen ins Unbeständige. Wir können uns weniger ablenken und hadern mit dem Unfrieden, der sich in uns breitzumachen beginnt. Nähe und Distanz ist schwieriger regulierbar geworden und vielleicht haben Sie innerlich schon dicht gemacht, um sich vor den unangenehmen Gefühlen zu schützen. Leider ist die Gefahr, dass Sie vereinsamen dabei gross und die Not, die Sie ausstrahlen, belastet die familiäre Atmosphäre, denn Sie werden diffus lesbar und entziehen Ihren Familienmitgliedern den Kontakt. Dieses Kuddelmuddel von Gefühlen der Unzulänglichkeit löst Stress aus, der oft Aggressionen psychischer und physischer Natur hervorruft. Ihr Tonfall wird ungehaltener, Ihre Geduld nimmt merklich ab und Ihre Äusserungen werden kränkend oder gar demütigend. Die gute Nachricht, das ist menschlich. Betrachten Sie sich und Ihre Familie als ein Projekt Familie und schauen Sie sich dieses Projekt von einem ganz anderen Blickwinkel aus an.
Übernehmen Sie Verantwortung und seien Sie ehrlich!
Niemand wird gerne seiner Autonomie beraubt, seiner Freiheiten und seinen Möglichkeiten sich zurückzuziehen. Und genau dies ist eingetroffen. Sie haben Ihre Autonomie verloren, Ihre Freiheiten und Möglichkeiten sich zurückzuziehen wurden von einem Tag auf den anderen weggenommen. Dazu sind Sie als Erwachsener verantwortlich für die elterliche Führung und für die Atmosphäre in der Familie. Klar, denn für unseren Zustand sind wir immer selbst verantwortlich. Übernehmen Sie die Verantwortung und geben Sie Ihren Gefühlen eine Stimme. Versuchen Sie auszusprechen, dass Sie sich ohnmächtig fühlen, gerade nicht wissen wie Sie diesem Konflikt mit Ihrem Kind, Ihrem Partner, begegnen, ein existenzielles Problem lösen sollen, keine Idee zum Spielen haben …! Trauen Sie sich verletzlich zu zeigen. Hüten Sie sich aber davor Ihren Liebsten deswegen Vorwürfe zu machen und Ihnen auf rechthaberische Weise Fehler vorzuhalten. Und vielleicht ist der Moment gekommen, um das Projekt Familie neu zu starten. Wagen Sie es. Sie werden begeistert sein.